Karrierechancen:
Wie Männer in der Pflege durchstarten
Männliche Pflegekräfte sind die Ausnahme. Deshalb haben wir drei Mitarbeiter der Caritas ambulante Dienste GmbH gefragt, warum sie sich für die Arbeit in der Pflege entschieden haben.
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: von rund 300 Pflegekräften bei der Caritas ambulante Dienste GmbH sind gerade einmal 13 Männer. Nicht mitgezählt sind dabei die Einrichtungsleitungen: Zwei der acht Standorte im Kreisdekanat Warendorf werden von Männern geführt, einen stellvertretenden Leiter gibt es in Sassenberg. „Auffällig ist, dass fast alle unseren männlichen Kollegen eine Zusatzqualifikation haben, sei es als Wundmanager, Bezirksleiter oder Praxisanleiter“, bemerkt Birgit Schürmann, Einrichtungsleiterin in Sassenberg. „Sie wollen im Beruf aufsteigen, auch um mehr Anerkennung von außen zu bekommen.“
Das bestätigt auch Frank Strake (45), stellvertretender Einrichtungsleiter in Sassenberg und Vater von zwei Kindern. Schon oft sah er sich in seiner Karriere mit den üblichen Vorurteilen und Kommentaren konfrontiert, die Pflegekräfte immer zu hören bekommen: „Das könnte ich nicht!“, „Ist der Job nicht furchtbar schlecht bezahlt?“ und so weiter. „Da tut es gut, erwidern zu können, dass man eine Führungsposition mit viel Verantwortung innehat“, sagt Strake.
Im Zivildienst den Traumberuf entdeckt
Ganz am Anfang hatte Strake eine Laufbahn in der Pflege oder überhaupt im Gesundheitswesen gar nicht auf dem Schirm. Nach der Schule absolvierte er eine handwerkliche Ausbildung zum Tischler. Erst durch den anschließenden Zivildienst, den er auch schon bei den ambulanten Diensten der Caritas ableistete, wurde er auf den Pflegeberuf aufmerksam. Die Abwechslung und Sinnhaftigkeit der Arbeit in der Altenpflege begeisterten ihn damals: „Wenn man einem Menschen geholfen hat, in den Tag zu starten, damit er gut bei sich zuhause zurechtkommt, weiß man einfach, was man getan hat.“ Die Ausbildung zum Altenpfleger war für ihn dann eine klare Sache.
„Meine Mutter unterstützte mich in meiner Entscheidung, mein Vater betrachtete den Wechsel in die Pflege eher mit Sorge“, erinnert sich Strake. Was dann letztlich aus ihm geworden sei, habe der Vater vor seinem Tod leider nicht mehr mitbekommen. Als Azubi erlebte Strake in seinem Bekanntenkreis und auch unter den Pflegebedürftigen, die er betreute, eine Art „positiver Diskriminierung“: „Als Mann wird man in diesem Beruf auch für die einfachsten Verrichtungen viel mehr gelobt als Frauen, weil Sorge- und Hilfstätigkeiten bei Frauen traditionell einfach viel selbstverständlicher genommen werden.“ Auf der anderen Seite gebe es aber natürlich auch einige wenige Klienten, vor allem ältere Frauen, die einen männlichen Pfleger ablehnen. Das habe man dann eben zu akzeptieren.
Sicherer Job mit Zukunft
Im Unterschied zu den meisten Frauen im Team arbeiten fast alle männlichen Pflegekräfte Vollzeit, was im ambulanten Dienst auch schon mal zwölf Arbeitstage in Folge ohne Pause bedeutet. „Das geht schon manchmal an die Substanz“, gibt Recep Bardak (32), Pfleger und Wundmanager in Warendorf und Vater von einem Kind, offen zu. Dennoch weiß er seinen Beruf sehr zu schätzen: „Man kann Menschen helfen und bekommt viele verschiedene Einblicke und Ansichten vom Leben. Es ist ein Job mit einer sicheren Zukunft.“
Der Bereich Gesundheitswesen hatte ihn schon immer interessiert. Nach der Schule entschied er sich aber erst einmal für eine einjährige Ausbildung zum Pflegehelfer, um herauszufinden, ob diese Arbeit überhaupt etwas für ihn ist. In seinem Freundes- und Bekanntenkreis wurde seine Ausbildung zum Altenpfleger positiv, aber auch mit Verwunderung aufgenommen: „Als junger Mann türkischer Herkunft entsprach ich einfach nicht dem Klischee.“
Tatsächlich steige der Anteil männlicher Pflege-Azubis, erklärt dazu Susanne Kleinestrangmann, Qualitätsbeauftragte bei der Caritas ambulante Dienste GmbH. In ihren Theoriekursen sei das Geschlechterverhältnis mittlerweile fast ausgeglichen. „Das liegt auch daran, dass viele männliche Migranten sich für eine Ausbildung in der Pflege entscheiden.“
Erfreut nimmt auch Bardak zur Kenntnis, dass der Männeranteil in der Pflege stetig steigt. „Physische und psychische Belastbarkeit sind in unserem Job sehr wichtig. Da können wir Männer mal zeigen, was wir drauf haben“, meint er.
Wünsche für die Zukunft? „Mehr Selbstverständlichkeit für uns als Männer im Pflegeberuf aber auch für die Pflege generell“, meint Frank Strake. Anstelle von überschwänglichen Wellen der Anerkennung – wie in der Corona-Krise – wünsche er sich mehr Normalität und Wahrnehmung für die Pflegearbeit. „Dafür müssen wir nach außen hin die schönen Seiten dieses Berufs deutlich machen, sowohl was das Menschliche, als auch was die Verdienst- und Aufstiegsmöglichkeiten angeht.“
Auf Umwegen zurück in die Pflege
Auf eine wechselvolle Karriere blickt Krankenpfleger Tobias Zimmermann (48) zurück. Erst seit 2020 gehört er zum Caritas-Team in Wadersloh – als einziger Mann unter Frauen. „Das ist schon eine besondere Position“, erklärt er.
Ursprünglich hat auch Zimmermann einen typischen Männerberuf gelernt: Tischler. Das allerdings zu einer Zeit, als es im Handwerk nicht so rosig aussah wie heute. Nach der Ausbildung schlägt er sich mit Zeitarbeit durch: „Das hieß sehr viel Arbeit für sehr wenig Geld“, erinnert sich Zimmermann. „Und wenn es gerade kein Arbeitsangebot gab, wurde man von jetzt auf gleich nach Hause geschickt.“
Um aus dem „Knebelvertrag“ der Zeitarbeitsfirma schnell herauszukommen, sucht er sich einen Ausbildungsplatz. „Ich hatte meinen Zivildienst damals in der Diakonie-Station in Lippstadt gemacht“, erklärt er. Diese Arbeit habe ihm großen Spaß gemacht, weshalb er sich dann auch für die Ausbildung zum Krankenpfleger im Evangelischen Krankenhaus in Lippstadt entschied.
„Das war für mich auf jeden Fall die richtige Entscheidung“, betont er, auch wenn er in seinem Beruf später solche und solche Erfahrungen sammelt. Es folgen Stationen im ambulanten Dienst in den Caritas-Sozialstationen in Beckum und Warendorf. Aber Zimmermann möchte noch mehr lernen: Im Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Lübeck arbeitet er auf den Stationen für Dermatologie und Venerologie. In einer Reha-Klinik in Bad Schwartau ist er in den Bereichen Orthopädie und Gynäkologie tätig. „Das Fachwissen aus dieser Zeit ist für mich auch heute noch sehr nützlich“, erklärt er.
Kurzzeitig arbeitet er schließlich in einer Sozialstation in Lippstadt. „Dort wurde ich aber nur eingestellt, um die Überstundenkontingente der Kolleginnen abzubauen“, erkennt er im Nachhinein. Der Frust bei der Entlassung ist entsprechend groß. So groß, dass Zimmermann für rund zehn Jahre wieder „auf den Bau“ geht.
Den Weg zurück in den Pflegeberuf findet er über seine Frau, Nina Zimmermann, Einrichtungsleiterin der Sozialstation in Liesborn. „Aufgrund meiner eigenen Erfahrungen mit der Caritas und ihrer Berichte aus ihrem Berufsalltag wusste ich, dass für mich nur die Caritas in Frage kam.“
In der Caritas-Sozialstation Wadersloh arbeitet er jetzt seit zwei Jahren als Krankenpfleger im ambulanten Dienst. Sein Wissen gibt es als Praxisanleiter und Ausbildungsbeauftragter an junge Kolleginnen und Kollegen weiter. „Das Tolle ist bei uns die Betreuung eins zu eins“, erklärt er. „Das gibt es im Krankenhaus oder in Altenheimen so nicht.“ Auf der anderen Seite sehen Azubis in stationären Einrichtungen mehr unterschiedliche Fälle in kürzerer Zeit. „Das ist eine gute Grundlage für den Beruf.“
Zimmermann selbst fühlt sich „im Job jetzt richtig angekommen“. Besonders gefalle ihm das selbständige Arbeiten im ambulanten Dienst und die Dankbarkeit, die er in seinem Job erfahre. „Man ermöglicht den Leuten, allein in ihrem gewohnten Alltag zuhause zurecht zu kommen. Das ist eine schöne Aufgabe.“ Bei vielen seien er und seine Kolleginnen die einzigen, die untertags vorbeikommen. „Da wird man nach zu nach zu einer Art Familie.“